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Jahrbuch des Landkreises Lindau 1987

Bibliografische Daten

fullscreen: Jahrbuch des Landkreises Lindau 1987

Strukturtyp:
Zeitschrift
Sammlung:
Bodensee Bibliotheken
Titel:
Jahrbuch des Landkreises Lindau
Untertitel:
Hrsg.: Heimattag für den Landkreis Lindau e.V.
Publikationsort:
Bergatreute
Verlag:
Eppe
Größe der Vorlage:
Online-Ressource

Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=bsz408063912
Strukturtyp:
Ausgabe
Sammlung:
Bodensee Bibliotheken
Titel:
Jahrbuch des Landkreises Lindau 1987
Veröffentlichungsjahr:
1987-01-01

Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=bsz408063912_1987

Artikel

Strukturtyp:
Artikel
Autor:
Sesselmann, Celida
Titel:
Sigmarszell 1944/45 - ein Stück Dorfgeschichte
Beteiligte Personen:
Sesselmann, Celida

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

  • Jahrbuch des Landkreises Lindau
  • Jahrbuch des Landkreises Lindau 1987
  • Inhaltsverzeichnis
  • Vorwort
  • Die Lastschiffahrt, einst das wichtigste Gewerbe auf dem Bodensee
  • Die Lastschiffahrt in Wasserburg
  • Verse
  • Bayerische Bodenseeschiffahrt und Verkehr im 19. Jahrhundert
  • Der Untergang des bayerischen Bodensee­dampfers „Stadt Lindau“ vor 100 Jahren
  • Nonnenhomer Fischbrutanstalt: „Millionen­wiege“ für Bodenseefische
  • Eine Narrenzunft stellt sich vor
  • St. Martin in Legende, Bildkunst und Brauch
  • „Die Mitglieder haften solidarisch...“
  • Martin Walser und der Heimatgedanke
  • Verse
  • Die Leprosorienstiftung an der Rothach
  • Verse
  • Eine Dokumentation über Ankunft und Eingliederung der Heimatvertriebenen in Lindau/Bodensee
  • Zur Gründung des Schützenvereins Maierhöfen-Riedholz
  • Ein Stadtviertel unterm Schutz des Heiligen Geistes
  • Oberreute, der höchstgelegene Fremden­verkehrsort im Westallgäu, geht neue Wege im Fremdenverkehr
  • 80 Jahre Argentobelbrücke
  • Zur Geschichte des Pfarrhofes und der Pfarrei in Ellhofen/Allgäu
  • Verse
  • Sigmarszell 1944/45 - ein Stück Dorfgeschichte
  • Josef Schuster und Max Socher
  • Verse
  • Flurdenkmäler
  • Die „Edlen Herren von Raitenau“
  • Verse
  • Der Kreuzweg in der Pfarrkirche St. Ambrosius in Hergensweiler
  • Die Sanierung des Wasserburger Schlosses
  • Verse
  • Das jüngst entdeckte Kalendarium von Hergensweiler - eine Fundgrube für die Familienforschung des 15. Jahrhunderts
  • Die Allgäuer Alpwirtschaft im Wandel der Zeiten
  • Aus dem Leben der Alphirten vor hundert Jahren
  • Rückblick auf die Sennereigenossenschaft Mittelhofen-Rutzhofen
  • 580 Jahre Stockenweiler Weiher
  • Das Opfenbacher Urbar von 1564
  • Orts- und Stadtpflege - warum?
  • Wanderjahre eines Westallgäuer Schreiner­gesellen
  • Jahres-Chroniken der Gemeinden des Landkreises Lindau für das Jahr 1986
  • Kurzbiographien der Autoren dieses Jahrbuches

Volltext

ROSMARIE BINGGER 
Sigmarszell 1944/45 - ein Stück Dorfgeschichte 
Wer von Lindau kommend das neue Teilstück der B 308 verläßt, 
erreicht Biesings, einen Ortsteil von Sigmarszell. Das stattliche 
Gasthaus zur Sonne zieht den Blick auf sich. Links dahinter 
duckt sich ein halbverfallenes kleines Holzhaus. Diese Hütte hat 
Geschichte. Sie war vom 5. April 1944 bis Ende April 1945 eine 
Außenstelle des Konzentrationslagers Dachau. 
Sechs bis acht politische Häftlinge, Angehörige verschiedener 
Nationen, bewacht von drei bis fünf SS-Leuten des Sicherheits 
dienstes, waren im letzten Kriegsjahr in diesem Haus unterge 
bracht. Die Häftlinge waren nach Biesings-Schlachters verlegt 
worden, wo sie ein neuentwickeltes Blutstillmittel herstellten, zu 
gleich aber auch als Testpersonen fungieren mußten. Die Ver 
suche hatten in Dachau begonnen und sollten hier nun fortgesetzt 
werden. Dazu boten sich in Schlachters geeignete Möglichkeiten 
und Räumlichkeiten an, die Obstbrennerei Nikolodi und das Edel 
weiß-Milchwerk. Bei Nikolodi wurden Rübenschnitzel, die Pektin 
enthalten, in großen Bottichen mit präpariertem Wasser in Verbin 
dung gebracht. Die daraus entstehende Substanz wurde dann im 
Edelweiß-Milchwerk zu einer pulverisierten Masse getrocknet. 
Die Häftlinge mußten das Pektin-Mittel einnehmen. Durch Blut 
proben wurde der Blutgerinnungswert festgestellt. Es kam aber nie 
zu erfolgreicher größerer industrieller Herstellung. Die von SS- 
Hauptführer Dr. Sigmund Rascher begonnene Versuchsreihe 
wurde vom KZ-Arzt, SS-Hauptsturmführer Dr. Rudolf Plötner, 
Dachau, im „Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung“ 
fortgesetzt und überwacht. In Schlachters hatte der Chemiker Dr. 
Feix die Leitung. Er war jüdischer Abstammung, selbst Häftling, 
doch durch diese Aufgabe mit besonderem Status. 
Dies sind die Fakten. Gemot Römer geht in seiner Buch-Doku 
mentation „Für die Vergessenen-KZ-Außenlager in Schwaben - 
Schwaben in Konzentrationslagern“ (erschienen 1984 in der Pres 
se-Druck- und Verlags-GmbH, Augsburg) ausführlich auf das 
Geschehen in Schlachters ein. 
Hinter diesen Fakten aber stehen Menschen, Arbeitskollegen, 
Nachbarn, ein ganzes Dorf. Wie lebten sie mit dem Wissen, daß im 
Dorf ein Außenkommando des Dachauer KZ-Lagers war? Wie 
fühlten sich die Häftlinge? 
Ich wohnte damals, 1944, im Gasthaus Sonne. Sehr gut erinnere 
ich mich noch, als im April 1944 ein Lastwagen vorfuhr und Män 
ner in Häftlingskleidem ausstiegen, bewacht von SS-Leuten. Sie 
zogen in das Häuschen hinter dem Gasthaus ein. 
Jeden Morgen marschierten sie, von den SS-Posten begleitet, zu 
den Arbeitsstätten nach Schlachters. Die Erfahrungen mit den dort 
beschäftigten Arbeitern waren - nach Aussagen der Häftlinge - 
zum großen Teil positiv. Obwohl mit den Häftlingen nicht gespro 
chen werden sollte, entwickelte sich zwischen ihnen und einem 
Teil der Betriebsangehörigen ein normales Verhältnis. Diese 
positiven Begegnungen wogen die wenigen negativen Erfahrun 
gen auf. Es kam verschiedentlich zu Denunziationen, die jedoch 
aufgrund des sehr vorsichtigen Verhaltens der Häftlinge und der 
fairen Haltung des Bürgermeisters, Herrn Stadler, keinen Boden 
fanden. 
Das anfänglich durchaus vorhandene Mißtrauen den „Sträflin 
gen“ gegenüber schlug bald in Billigung und wohlwollendere Hal 
tung zu den politisch Verfolgten um. „Wir wußten, wer uns nicht 
gut gesinnt war, und verhielten uns solchen Personen gegenüber 
sehr zurückhaltend“, berichtete Franz Jauk, einer der Häftlinge, 
der Sprecher und Vermittler war. 
In der Nachbarschaft kam es sehr bald zu Gesprächen und Begeg 
nungen mit den Häftlingen. Herr Michael Rauch aus Kaufbeuren, 
selbst langjährig politisch Verfolgter und seit vielen Jahren in 
Dachau, führte den Haushalt. Er kochte für die Häftlinge, was von 
Dachau geliefert und was zusätzlich bei Bauern aus Notschlach- 
93
	        

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Jahrbuch Des Landkreises Lindau 1987. 1987-01-01.
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