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Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 1987-08

Bibliografische Daten

fullscreen: Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 1987-08

Strukturtyp:
Zeitschrift
Sammlung:
Bodensee Bibliotheken
Titel:
Kultur
Untertitel:
Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft
Publikationsort:
Dornbirn
Verlag:
Verein KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft

Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=bsz310869048
Strukturtyp:
Ausgabe
Sammlung:
Bodensee Bibliotheken
Titel:
Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 1987-08
Veröffentlichungsjahr:
1987-08-01

Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=bsz310869048_1987_08

Artikel

Strukturtyp:
Artikel
Titel:
Der literarische Beitrag: Wolfgang Hermann - Die Minimale Welt

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

  • Kultur
  • Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 1987-08
  • Titelseite
  • Vorwort
  • Inhaltsverzeichnis
  • Interview mit Landesrat Dr. Guntram Lins
  • Ich bin noch immer Dalinist
  • Cicerone der Conditio Humana oder: Das Belichten der Lage
  • Magazin
  • Mundtot
  • Der literarische Beitrag: Wolfgang Hermann - Die Minimale Welt
  • Blintimus Blinsky mit den Schwarzen bei den Schwarzen
  • Konservative Kunst: 14 Tage lang präsentieren 14 Künstler
  • Die vorletzte Seite

Volltext

18 
KULTUR 
Wolfgang Hermann 
Die Minimale 
Im Oktober erscheint im Carl Han- 
ser-Verlag in München ein Band mit 
Texten von Wolf gang Hermann unter 
dem Titel "Die minimale Welt". 
Hermann bekam für das Manuskript 
den Förderpreis der Jürgen-Ponto- 
Stiftung (EM 15.000,—), den vor 
ihm u.a. Einar Schleef, Gerhard 
Köpf und Markus Werner erhalten 
hatten. Der Autor wurde 1961 in 
Bregenz geboren und studierte in 
Wien Philosophie; derzeit lebt er 
in Berlin. In Vorarlberg sind Tex 
te von Wolf gang Hermann im "Vor 
arlberger Lesebogen" und in "bo 
denlos I und II" erschienen; er 
las auch mehrmals bei den St. Ge 
ro lder Literaturtagen. 
Golo Mann, Kuratoriumsmitglied der 
Jürgen-Ponto-Stiftung, schreibt in 
seiner Beurteilung über "Die mini 
male Welt": "Das sind höchst merk 
würdige Lesestücke. Wie sollen wir 
sie benennen, wie charakterisie 
ren? Poetische Prosa? Magischer 
Realismus? Verfremdende Beobach 
tungen? Träume, die Wirklichkeit 
Vortäuschen? Sinngebungen, wo kein 
Sinn ist, oder ein Suchen danach? 
Uns vertraute Dinge kommen reich 
lich vor: Straßen, Städte, Staats 
grenzen, Wachen, Tiere, Bäume, 
Schlösser, Einkaufszentren, Glok- 
ken, Feste - diese unter der Über 
schrift "Alkohol", Briefpost, 
Vollmond. Die Präzision der Spra 
che täuscht Realismus vor; es 
hofft wohl aber der Sprechende, 
daß man nicht darauf hereinfällt. 
Cb er, bevor er an eine seiner 
Beschreibungen ging, das zu Be 
schreibende angeschaut hat, ist 
nicht zu erraten. Sinn, sogar 
Schönheit sucht er wohl, zumal 
dort, wo keine Menschen sind, bei 
Tieren oder Bäumen. Dennoch 
schließt er auch menschliche Wesen 
in seine scharfsichtig geträumte 
Natur mit ein. Manchmal greift er 
daneben. "Die Wüste ist ein Sai 
tenspiel" - das taugt nicht. Übri 
gens wird der Leser gut daran tun, 
nicht mehr als etwa ein Dutzend 
dieser Fragmente hintereinander zu 
lesen.Insgesamt sind sie entschie 
den mehr als eine "Talentprobe": 
ein ganz eigenartiger Zugang zu 
Mensch und Welt. Die Sprache zeigt 
beispielhafte Disziplin, wohltuen 
des Können." 
Die Sternwarte 
Vor hundert Jahren gab es so wenig 
Licht in der Stadt, daß die Stern 
bilder sich wie eine Decke über 
sie breiteten. Ein quadratisches 
Gelände wurde zu ihrer Erforschung 
reserviert. Man pflanzte hohe, 
dichte Bäume, in der Mitte blieb 
Platz für ein großes Haus. Das 
wurde um ein Fernrohr herungebaut, 
das Nacht für Nacht die genaue Ar 
beit tun will. Diese Arbeit ist 
vorurteilslos genau (das Vorurteil 
besagt, daß die Arbeit der Nacht 
Ungenauigkeit ist). In das Fern 
rohr schauen die Menschen, damit 
das Sternbild nicht als Decke, 
sondern als Fluchtweg erscheint. 
Die Menschen, die die Arbeit des 
Fernrohrs begleiten, tragen weiße 
Kittel. Es ist, damit sie selbst 
in der Nacht nicht unsichtbar wer 
den. Ist ein Fernrohr in der Stadt, 
so gibt es die große Stille und 
das Errechenbare. Die dichten Bäu 
me schützen die in der Nähe Schla 
fenden vor der zu großen Exaktheit 
des Lebens. Von der Nacht, in der 
sie schlafen, dürfen sie in er- 
rechneten Einheiten als der Unge 
nauigkeit träumen. Heute gibt es 
in der Stadt so viel Licht, daß 
keiner mehr danach fragt. Die 
Sternbilder sind nicht Decke und 
nicht Fluchtwege. Sie sind das 
verzögerte Zeichen. 
Vollmond 
Hügel sind die Höcker eines schla 
fenden Tiers. Baumstämme, die aus 
dem Lichtkegel tretend im Dunkel 
Zurückbleiben, murmeln lange nach. 
Astgabeln sind Schleudern, in die 
sich, sie entschärfend, langgezo 
gene Wolken biegen. Der Wind ist 
ein sprechendes Blatt. Tannenwip 
fel bergen das irisierende Licht. 
Auf dem in den Nacken gebeugten 
Haupt des Kindes zeichnen mit Li 
neal kleine flinke Wesen Licht- 
und Schattenwurf. Vom Unsagbaren 
träumende Clowns fahren in kleinen 
Wagen übers Land. 
Weiße Stadt 
Den Hafen erreicht der Fremde bei 
Sonnenaufgang.Er betritt die Stadt 
als ein Tor zu einem Garten. Vom 
Hauptplatz sind Berge mit weißen 
Kronen zu sehen. Hinauf zur Alt 
stadt führt eine schmale steile 
Straße. Sie wird gesäumt von den 
besten Bäckereien der Stadt und 
einem Geschäft, in dem der älteste 
Wein erstanden werden kann. Mit 
tags versengt die Augen das Weiß 
der Häuser. Nachmittags sitzt eine 
Katze im schmalen Schatten einer 
Laterne. Wenn bei Sonnenuntergang 
die Läden geöffnet werden, verdop 
pelt sich die Anzahl der Schritte. 
Die Sonne steigt ins Meer. An den 
östlichen Hügeln der Stadt geben 
die Zistrosen ihren versammelten 
Geruch frei. Das Rotgrün des Euka 
lyptus ist ein Grünblau, das rasch
	        

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