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Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 1999-10

Bibliografische Daten

fullscreen: Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 1999-10

Strukturtyp:
Zeitschrift
Sammlung:
Bodensee Bibliotheken
Titel:
Kultur
Untertitel:
Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft
Publikationsort:
Dornbirn
Verlag:
Verein KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft

Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=bsz310869048
Strukturtyp:
Ausgabe
Sammlung:
Bodensee Bibliotheken
Titel:
Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 1986-04
Veröffentlichungsjahr:
1986-04-01

Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=bsz310869048_1986_04

Artikel

Strukturtyp:
Artikel
Autor:
Jenny, Rainer
Titel:
Film Schnipsel
Beteiligte Personen:
Jenny, Rainer

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

  • Kultur
  • Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft 1999-10
  • Titelseite
  • Inhaltsverzeichnis
  • "... die Kulturpolitik ist eine wirkliche Bereicherung in meinem Leben"
  • Der Mond, der Dieb und die schöne Schwester
  • Mail Art-Networker im "Kunstrausch"
  • ... eine Dose ist eine Dose ... über das Ausstellen
  • Literatur: Der Langenscheidt von Kurzemann
  • Literatur: Über ein schönes Buch
  • Spricker
  • Anspruchsvolles Theater: Unersetzbar, unbezahlbar?
  • Musik: CD-Tips
  • "ensemble plus": Herbert - Devienne - Rheinberger
  • Literatur: Jeder Mensch ist ein Künstler. (Beuys) Jeder Koch ist ein Mensch. Also ist jeder Koch ein Künstler.
  • Theater: Machtspiele und Mordsspäße
  • Christian Geismayr in Florenz
  • Literatur: The Uncomplete Book of Portraits
  • Literatur: Und huch Und ach
  • Jetzt erst rechts
  • Musik: Ferdinand Andergassen - ein Dichter in Tönen
  • Künstlerische "Endspiele"
  • WELT-AIDS-TAG 1999
  • Alte Geschichten
  • Malerei als Weg
  • Nur ein verrückter Schäferhund?
  • Literatur: Auch "Land sichten" wird keine Unruhe bringen ....
  • Sonne, Mond und Sterne
  • Die Wucht des Fotogramms
  • "Die moderne Welt ist ein Schmarotzer"
  • Magazin
  • ... über das glück, in vorarlberg zu wohnen
  • Weber, Lutz & Hutter
  • "Vorletzte Seite"

Volltext

früheren Epochen gespeichert worden ist? Dies 
entspräche unserer seit ungefähr zwei Jahrhun 
derten geübten Praxis, die fossile Energie - 
Kohle, dann Erdöl - systematisch zu verbrau 
chen. Somit hätten wir es nicht mit der Furie 
des Verschwindens zu tun, sondern mit derjeni 
gen des Verschwendens.“ 
Brague hegt starke Zweifel, ob die Moderne 
tatsächlich so große eigenschöpferische Leistun 
gen erbracht habe, wie allgemein angenommen 
werde. In Wirklichkeit sei die vielgelobte Tren 
nung von Weltlichem und Geistlichem kein 
Werk der Moderne. Diese Idee oder gar die 
Idee eines mit Freiheit und Würde ausgestatte 
ten Menschen stamme bereits aus dem Mittelal 
ter. Auch die Philosophen der Aufklärung hätten 
im 18. Jahrhundert nichts anderes versucht, als 
die Idee der mittelalterlichen Gottesstadt umzu 
bauen, wobei ihre Voraussetzungen im Grunde 
mittelalterlich geblieben seien. Die Aufklärer 
seien noch zu fromm gewesen. Sie hätten sich 
eingebildet, ihre Werte seien in der Natur ver 
ankert. Welche Werte die Moderne tatsächlich 
geschaffen habe, sei noch immer eine offene 
Frage. 
Die Überlegungen Bragues mündeten schließlich 
in der Feststellung, daß die Moderne im Grunde 
ein Fall von Parasitismus sei. Als Kronzeugen 
nannte er Nietzsche und zitierte einen Satz des 
Denkers aus dem Jahre 1888, in dem es heißt: 
„Wir sammeln nicht mehr, wir verschwenden 
die Capitalien der Vorfahren.“ 
Charles Peguy habe einige Jahrzehnte später 
denselben Sachverhalt zum Ausdruck gebracht, 
indem er schrieb: „In der Tat - mit einer uner 
schütterlichen Frechheit, die vielleicht ihre ein 
zige Erfindung, das einzige ihr Angehörende in 
der ganzen Bewegung darstellt, lebt die mo 
derne We*t fast ausschließlich von den vergange 
nen Menschheiten, die sie verachtet und nicht 
Foto: Georg SchneiI (aus dem Kalender 
Lech 2000, Gemeindeamt Lech, Verlag: 
Tourismuswerbung Felder, Mellau) 
zu kennen angibt... Die moderne Welt ist ein 
Schmarotzer. Sie zieht ihre Kraft oder ihre 
Scheinkraft aus den Regimen, die sie bekämpft, 
aus den Welten, die sie sich anschickt, aufzulö 
sen.“ 
Nun sei es an der Zeit, so Remie Brague, Eu 
ropa zu einer Entmodernisierung aufzurufen. 
Damit meine er selbstverständlich nicht, daß wir 
auf das Neue verzichten sollen - falls das über 
haupt möglich wäre. Was er vorschlage, sei le 
diglich ein neues Verhältnis zum Neuen. Um es 
mit einem einzigen Wort auszudrücken: Erneue 
rung statt Neuerung. Das gebräuchliche Wort 
dafür sei Renaissance. Die Aufgabe, eine Er 
neuerung in Angriff zu nehmen, stelle sich nicht 
Europa allein, sondern der ganzen Welt. Europa 
verfüge allerdings über besondere Möglichkei 
ten, dies umzusetzen, und zwar mit Hilfe seines 
kulturellen Gedächtnisses. Der französische Phi 
losoph schloß mit den Worten: „Was ich mir 
wünsche, ist eine Selbsterneuerung, eine Selbst 
renaissance. Das Modell der Renaissancen, das 
in Europa lange als kollektive, kulturelle Praxis 
ausgeübt wurde, sollte jetzt auf der Ebene des 
Individuums und der Gesellschaft angewendet 
werden.“ 
Leo Haffner 
„Philosophicum Lech - Die Furie des Verschwin 
dens. Über das Schicksal des Alten im Zeitalter 
des Neuen“ (16. - 19.9.1999), alle Referate wer 
den im Frühjahr 2000 im Zsolnay Verlag in Buch 
form erscheinen. 
Renaissance hob Bubner drei Gesichtspunkte als 
Merkmale des „Neuen“ hervor: die Erfindung, 
die Überwindung der (Seh-)Gewohnheit und die 
produktive Nachempfindung der Formprinzi 
pien, welche die Natur selber schaffe. Mit dem 
letzten Motiv hänge die Idee vom Künstler als 
zweitem Schöpfer zusammen, die schließlich im 
18. Jahrhundert zum Geniekult beigetragen 
habe. Der entscheidende Terminus heiße „Ori 
ginalität“. Nur die Verknüpfung der Originalität 
mit dem Rang des Exemplarischen verbürge die 
Leistung eines Genies. 
Doch laut Immanuel Kant könne es auch origi 
nalen Unsinn geben. Die Existenz des originalen 
Unsinns habe zunächst der Dadaismus mit sei 
nen Parolen legitimiert. Seither verlaufe eine 
Haupttendenz der modernen Kunstentwicklung 
auf der Linie der Bejubelung originalen Unsinns. 
Abschließend skizzierte Bubner die Kunsttheo 
rie des russischen Formalismus, die zu Beginn 
des 20. Jahrhunderts entwickelt wurde und bis 
in die 60er Jahre hinein eine Fernwirkung er 
zielte. Als Resultat dieser Entwicklung hielt Bub 
ner fest: „Kunst besteht in nichts anderem als in 
geplanter Wahrnehmungsveränderung, die 
durch formale Kunstgriffe ausgelöst wird, welche 
unserer erstarrten Aufnahmefähigkeit Stimulan 
zen des Neuen hinzufügt, was sich als Belebung 
und Erweiterung der ästhetischen Erfahrung re 
gistrieren läßt.“ 
So überraschend es klingen mag - ein vorbe 
haltsloser Verfechter des „Neuen“ wollte sich 
im Verlauf des ganzen Lecher Symposions nicht 
finden lassen. Remie Brague (Sorbonne Paris) 
stellte seine Zweifel in der Beurteilung der Mo 
derne überhaupt in den Mittelpunkt seiner Be 
trachtungen. Zitat: „Ich stelle mir die Frage - in 
Form einer Hypothese oder als Albtraum, den 
ich gerne los wäre -: Wie, wenn das, was wir 
die Moderne nennen, nichts anderes wäre als 
die Verschwendung einer geistigen Kraft, die in 
79 
mUTIAL Dez. 99 / JSn. 2000
	        

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