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Bote aus dem Bieletal (1961)

Bibliografische Daten

fullscreen: Bote aus dem Bieletal (1961)

Strukturtyp:
Zeitschrift
Sammlung:
Oberschlesische Heimatblätter ab 1949
Titel:
Bote aus dem Bieletal
Untertitel:
Ziegenhalser Stadtblatt in d. Fremde
Publikationsort:
Gaggenau
Veröffentlichungsjahr:
1954
Verlag:
Torzewski

Physikalischer Standort:
Bibliothek der Stiftung Haus Oberschlesien, Ratingen
Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=012125091
Strukturtyp:
Zeitschriftenband
Sammlung:
Oberschlesische Heimatblätter ab 1949
Titel:
Bote aus dem Bieletal
Untertitel:
Ziegenhalser Stadtblatt in d. Fremde
Band, Heft, Nummer:
1961
Publikationsort:
Gaggenau
Veröffentlichungsjahr:
1954
Verlag:
Torzewski

Physikalischer Standort:
Bibliothek der Stiftung Haus Oberschlesien, Ratingen
Signatur:
M 101
Persistente Url:
https://www.digishelf.de/piresolver?id=012125091_1961

Zeitschriftenheft

Strukturtyp:
Zeitschriftenheft
Titel:
Juli 1961
Band, Heft, Nummer:
7

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

  • Bote aus dem Bieletal
  • Bote aus dem Bieletal (1961)
  • Januar 1961 (1)
  • Februar 1961 (2)
  • März 1961 (3)
  • April 1961 (4)
  • Mai 1961 (5)
  • Juni 1961 (6)
  • Juli 1961 (7)
  • August 1961 (8)
  • September 1961 (9)
  • Oktober 1961 (10)
  • November 1961 (11)
  • Dezember 1961 (12)

Volltext

Gaggenau/Murgtel Bote aus dem Bieletal 
10 W 1854 E 
(Siegenhalfer Stadtblatt in der $rembde) 
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Folge 7 / Juli 1961 
Jahrgang 8 
Auf Schusters Rappen in. die Welt 
Flickten Schuh auf die Straße. Heute, wo 
bei dem hohen Stundenlohn eine Repara- 
tur oft so viel kostet wie die Hälfte eines 
neuen Paars, wird ja kaum ein Schuh rich- 
tg abgetragen. Das Maßarbeiten ist 
reute auch auf wenige Fälle beschränkt, 
weil die Maschine ja viel rascher und ge- 
rälliger zum Ziele kommt. Erwähnt sei 
Freilich auch, daß Sportler z. B. sich jetzt 
ı1och gern, und dies um phantastisch hohe 
Preise, ihre Schuhe handarbeiten lassen. 
Jnd der orthopädische Schuh ist und 
oaleibt auch in Zukunft gewiß der Kunst 
aines geschickten Meisters vorbehalten. 
Tausende Paare täglich werden heute in 
den vollautomatisierten Fabriken erzeugt. 
Da ermöglichen die Maschinen . alle 
Wünsche: Rahmenschuhe, gewendete, 
Jurchgenähte, geklebte Machart, flexible 
ichuhe, geschraubte Machart usw. Da 
-öst ein Ausdruck den anderen ab, wie in 
eder Mode wechseln die Begriffe: Slip- 
per und Opanken und Sandalen und 
Trippe und die — Schuhe schlechthin. 
Wer waren nun die Meister, die uns im 
1eimatlichen Ziegenhals in bester Art ein 
‚Fundament“ lieferten? Ja, wer waren 
;jjel Mein Vetter Karl Schmidt von der 
Zollstraße marschierte da als treuer Sohn 
;eines Vaters mit in der Spitzengruppe. 
Und da kamen der Herr Möller vom 
Ringe, die Meister Zacher, Kühnel, Berger, 
Piontkowitz, Milde, Elsner, das Schuhhaus 
Pawlik und gar mancher andere, dessen 
Namen mir nun doch nicht mehr geläufig 
ist. Es möge mir verziehen sein, wenn ich 
wahllos und- unvollständig die Zunfige- 
nossen erwähne, dabei selbstverständlich 
keine Wertung ausspreche, Aber eines 
Namens muß ich in diesem Zusammen- 
hang noch besonders gedenken: es ist 
das Herr Meister Scholz vom Ringe. Die- 
ser weithin bekannte Zunftgenosse ist ja 
nicht nur Fachgenosse des großen Nürn- 
bergers Hans Sachs, sondern auch Kollege 
auf dem Gebiete der Poeterei, denn: 
Hans Sachs war ein Schuh-macher und 
?0et dazu. So spöttelten wohl Zeitge- 
nossen, deren Namen längst, längst vom 
Winde verweht sind; er aber bleibt in 
seinen Schelmenstücken unsterblich. Und 
immer wieder lebt sein ruhmvoller Name 
auf in jeder Aufführung der Wagnerschen 
Meistersinger. Solch großem Vorbild 
kommt unser lieber Herr Scholz nahe. 
Er weiß das wahre Wesen des schlesi- 
schen Menschen in seiner Witzigkeit und 
hintergründigen Naivität so recht zu tref- 
fen. Dafür sei ihm Dank. Ein zweiter 
Meister verpflichtete mich auch für im- 
mer zu Dank: der Schuhmacher Berger. 
Ihm verdanke ich heute noch, daß ich 
meinen vor dreißig Jahren gesegneten 
Sommerzeit, Reisezeit , . . Wie leicht tut 
man sich doch da heutzutage: das mehr 
oder weniger repräsentative Vehikel wird 
vollauf getankt, ein Olwechsel findet 
statt, der Reifendruck wird geprüft und 
am Ende die Börse so großspurig gezo- 
gen, als ob Geld die selbstverständlichste 
Sache der Welt sei. Im Kofferraum ist die 
modernste Campingausstattung verstaut, 
der Paß ist in Ordnung und das Schicksal 
kommt ins Rollen. Wie das? Nun, der Ka- 
valier am Steuer — ja gibts denn das 
überhaupt!! — huscht — in Filzpantoffeln 
ıinters Steuer, die diversen Pferdestärken 
auszulösen und zu zügeln. Was bleibt 
denn da nun schon noch übrig von der 
Rolle, die einst Schusters Rappen in der 
Welt gespielt haben! Wenn so etwas, der 
Alt- und Ehrenmeister der Zunft der Schuh- 
macher, Hans Sachs aus Nürnberg, hätte 
erleben müssen, wäre sein Selbstbewußt- 
sein wohl schwer gedämpft worden, das 
er in seinen Versen wie folgt zum Aus- 
druck brachte: 
Die Schusterzunft bleibt immer doch 
Die wichtigste von allen, 
Sonst müßten alle Menschen noch 
Barfuß durchs Leben wallen. 
50 aber gibt der Schuh allein 
Vor manchem Dorn und manchem Stein 
Uns Sicherheit und Schutz. 
Mit Festigkeit tritt mancher auf, 
Dem sonst der Schuh gefehlet, 
Und den in seinem Lebenslauf UT 
Gar mancher Dorn gequälet. 
Und früher war der Schuhmacher auch 
der Mann, der über Wohl und Wehe des 
Reisenden entschied. Gut zu Fuß sein, das 
versprach erst den rechten Genuß. Was 
nutzt die schönste Landschaft, wenn unser 
ganzes Augenmerk dem schmerzenden 
Zeh gilt, der sich nicht genügenden Le- 
bensraums erfreut, der juckt und gerie- 
ben und gequetscht wird, der einem das 
Hören und Sehen vergehen läßt. Meister 
Pfriem war da die zuständige Instanz für 
Behebung etwaiger Mängel. Ich sehe im 
Geiste den alten Geppert-Schuster alias 
Göbel-Schuster aus Dürrkunzendorf: auf 
seinem Schemel hockte er Tag um Tag, im 
Schein der Sommersonne, im Schein der 
Schusterkugel. Ein Berg von durchgelaufe- 
nen, abgewetzten, klaffenden Schuhen, al- 
tersgrau und farblos schier, wartete auf 
seine helfende Hand. Schnell stülpte er 
den Oderkahn, die Kommißgurke, den 
schiefgetretenen Latschen über seinen 
Eisenfuß, maß mit Kennerblick den Grad 
des Zerfalls und ging frisch ans Werk. Da 
riß er die löchrige Sohle ab. O je! Die 
3randsohle ist ja auch hin, seufzte er. 
Jnd gespannt verfolgte ich, wie er das 
>hnehin schon große Loch noch größer 
nachte. Daß er erst einmal eine solide 
\usgangsstellung für sein Beginnen sich 
ıchaffen mußte, kapierte ich damals noch 
ıicht und verdächtigte ihn darum der 
zosheit. Und nun keilte er hier einen Lei 
;ten echt in das Ledergebilde, hieb 
nit flinken Schlägen wie ein Spechi 
Zwecken aus Eisen oder auch Holz in die 
sohle, beschnitt, raspelte und begutach- 
ete sein Werk, Das Menschenmöglichste 
var gelungen: aus einem zwielichtigen 
Sebilde, das kaum stallfähig, vielweniger 
arst salonfähig ausgesehen hatte, walı 
vieder ein Schuh geworden. Ein Stück 
treide, ein rasch kalkulierter Preis, und 
ıeim ging es. Heim ging es, jawohl; die 
Zedanken aber waren noch lange beim 
Meister auf seinem Schemel. Da irrlich- 
erte und gespensterte noch seine moa- 
zische Lampe durch meinen Kopf, da ging 
mir der Sinn der Bezeichnung Knieriemen 
auf, da verstand ich, daß man nicht alle 
Dber einen Leisten schlagen könne. Und 
dem Meister ging es wohl ähnlich: der 
wußte sicher, wo den einzelnen der Schuh 
drückte, der las aus dem Schuhwerk des 
Trägers Charakter ab. Der eine seiner 
Kunden Kebte die Bequemlichkeit, der an- 
dere die Eleganz. Hoffart will Zwang lei- 
den, murmelte wohl Göbel-Vetter, wenn 
sr Gretetis Stöckelabsätze besah, die sich 
arg genau der Erdkugelrundung ange- 
saßt hatten. Und die anderen dort, die 
waren ihrer Lebtage nie mit Erdal in Be- 
‘ührung gekommen, Ja, der Lotter gar, 
der hatte sich sogar erdreistet, seine 
‚angschäfter nicht einmal vom gröbsten 
;chmutz zu reinigen. Zu den komischsten 
Dperationen mußte er schreiten: dem 
ichuh fehlte die Zunge, der nächste an- 
dere wieder war im Winter auf dem hei. 
3en Ofen geschmort und verkohlt. Dann 
war da der Onkel in Ziegenhals, der 
2hrengeachtete Schuhmachermeister An- 
‚on Schmidt auf der Zollstraße. Da war 
das Arbeitspodium ein umfangreicheres, 
da saßen mehrere Gesellen um den Mei- 
;ter geschart, Das war ein vielstimmiges 
rlämmern und Raspeln und ein Anvisieren 
nd Befriedigen vieler Wünsche. Denn 
wir müssen uns vorstellen, daß früher, das 
heißt in meinen Jugendjahren, das Volk 
einen Schuh bis zum wirklich hoffnungs- 
losen Ende strapazierte. Da wurde auf 
den Fleck noch evenivell ein Fleck ge- 
setzt, da ging sogar der wohlhabendere 
Bürger ohne Scham mit einem sauber ge-
	        

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